Die Kraft der Räume: 5 Ideen für eine bessere Arbeitsatmosphäre – von Inga Ganzer, Innenarchitekturbüro raumdeuter
Dies ist ein Text über Raumgestaltung. Geben Sie ihn an die Personalabteilung weiter!
Und wenn Sie sich jetzt wundern, was Räume mit „HR“ zu tun haben: Eine Menge! So wie Kleider Leute machen, wirken Räume auf Menschen, die in ihnen arbeiten und leben. Da wir uns zu einem Großteil unserer Lebenszeit in mehr oder weniger bewusst gestalteten Innenräumen aufhalten, beeinflusst das uns alle und damit auch Fachkräfte, Mitarbeitende, Geschäftspartner:innen und Entscheider:innen. Zuallererst im Recruiting-Prozess:
1. Willkommen an Bord – Räume laden ein und zeigen eine Haltung
Der erste Eindruck beim Bewerbungsgespräch zählt nicht nur auf zwischenmenschlicher und auf fachlicher Ebene. Ihr Empfangsbereich, der Ort des Bewerbungsgesprächs und der zukünftige Arbeitsplatz zeigen, wie in der Firma gearbeitet und wie den Mitarbeitenden begegnet wird – agil, klassisch, auf Augenhöhe oder hierarchisch, mit Herzblut und Spaß oder sachlich und rationell, strukturiert und zielstrebig oder spielerisch-experimentell … im Wettbewerb um Talente gibt es kein Patentrezept und jedes Unternehmen hat einen eigenen Stil. Die Arbeitsumgebung sollte aber das Selbstbild und die Arbeitsweise verkörpern, weil sie nur so auch die passenden Menschen ins Unternehmen zieht! Eine aufgesetzte coole Startup-Optik ist also nicht unbedingt sinnvoll, wenn das Geschäftsmodell der Firma beispielsweise auf akribischer Zahlenanalyse, klar geregelten Anwesenheitszeiten und hochvertraulichen Beratungsleistungen beruht.

2. Raum wirkt! – Effizienz und gute Ergebnisse durch passende Raumgestaltung
In Seminaren wird gern vermittelt, wie Besprechungen ergebnisorientiert durchgeführt und Arbeitsprozesse optimiert werden können. Alle guten Ratschläge nutzen jedoch wenig, wenn der Raum hallt, der Rücken schmerzt und das Denken durch die allzu starre Möblierung eingeengt wird.
Innenarchitektur und New Work: Das heißt nicht zwangsläufig Sitzsack, Kickertisch und Bällebad. Vielmehr gilt es, ein Arbeitsumfeld zu gestalten, in dem Arbeitsprozesse effizient erledigt werden können, ergonomisch-biologische Anforderungen berücksichtigt sind und Abläufe im besten und im übertragenen Sinne „beweglicher“ und flexibler werden. Zahlreiche Studien belegen, dass Besprechungen im Stehen schneller und effizienter sind, dass biophil gestaltete Umgebungen signifikant zum Wohlbefinden beitragen und dass Rückzugsorte von eminenter psychologischer Bedeutung sind. Die Einbeziehung von Mitarbeitenden im Homeoffice und von unterwegs funktioniert besser und stiftet Gemeinschaft, wenn die Technik für hybride Meetings intuitiv funktioniert.
Raumgestaltung kann dabei nicht nur Flächen effizient und flexibel nutzbar machen, sondern ermöglicht auch wertvolle Arbeitsergebnisse einer zufriedenen und gesunden Belegschaft. Gleichzeitig kann Innenarchitektur nicht alle Aspekte des Zusammenarbeitens lösen. Sinnvoll und unabdingbar sind gemeinsam entwickelte Regeln für den Umgang mit Lautstärke, Fokusarbeit, Häufigkeit von Besprechungen und dem Anteil an Remote-Tätigkeiten.
3. Räume verändern – und Menschen mitnehmen!
Veränderungsprozesse jeglicher Art erfordern von Führungskräften und Beratungsunternehmen Feingefühl und Perspektivenwechsel. Umstrukturierungen und Neuordnungen, auch im Bereich Raumgestaltung sollten in ihrer Wirkung auf Mitarbeitende nicht unterschätzt werden. Ob Umzug, Umstellung auf Desksharing, mehr Transparenz und Öffnung hin zu offenen Büroflächen: Zunehmend setzen sich Beteiligungsprozesse durch, etwa Workshops, Umfragen, Gestaltungswettbewerbe mit einer Jury aus der Belegschaft und Probe-Möblierungen oder Popup-Lösungen. Agenturen für Change-Management können einbezogen werden, um die Veränderungsprozesse zu moderieren.
Hier kommen auch verschiedene Generationen und Rollen im Unternehmen ins Spiel: Wer 30 Jahre in der Buchhaltung am festen Büroplatz, mit Papierakte im Rücken und Enkelbildern auf dem Tisch gearbeitet hat, hadert möglicherweise eher mit neuen offenen Strukturen. Andere, frisch in der Marketingabteilung eingestellt, mögen es, mit dem Laptop unter dem Arm bei einem guten Espresso in der Cafeteria abteilungsübergreifend an neuen Konzepten zu feilen.
Menschen wollen verstanden werden! Das gilt bei der Gestaltung des Arbeitsumfeldes ebenso. Sich die Mühe zu machen, einen tatsächlichen Tagesablauf im Unternehmen nachzuvollziehen und Fallstricke und Hemmnisse im Detail zu verstehen, das unterstützt hilfreiche Veränderungen nicht nur im eigentlichen Fertigungs- oder Digitalisierungsprozess, sondern auch bei der Suche nach einer guten und sinnvollen Raumgestaltung.

4. Raumgestaltung im Unternehmen ist unabhängig vom persönlichen Geschmack
Beteiligung bei der Raumgestaltung – das heißt am Ende jedoch nicht, dass jeder und jede ihren persönlichen Geschmack umsetzen soll. Auch hier ist Führung gefragt. Professionelle Planungsbüros bringen die Anforderungen und Wünsche zu den Arbeitsabläufen in Einklang mit dem Corporate Design, den Unternehmenszielen und der Firmenphilosophie – die im Konsens oder durch Führungsgremien entwickelt und freigegeben wurden. Durchaus möglich, dass ein Handbuch für die Raumgestaltung entsteht: Auch ein Weg, um Entscheidungen für spätere Anwendungen zu strukturieren und den Kopf freizuhaben für neue Ideen und Projekte!
5. Wohlbefinden und Begegnung schaffen für alle!
„80% aller wirklich innovativen Idee entstehen in der persönlichen Kommunikation.“ (Tom Allen) – In jedem Unternehmen sollte es Räume für den Austausch geben. Räume in denen man sich auch zufällig treffen kann und vor allem abteilungsübergreifend! In denen sich Mitarbeitende aus Teppichetage und Produktion begegnen und wo die Vorgesetzte den gleichen Kaffeeautomaten benutzt wie der Disponent. Das kann z.B. eine Work-Lounge sein, in der man regelmäßige Anlaufstellen wie Drucker und Spinde, Getränke und Büromaterial findet. Zusätzliche Stehtische und Besprechungsboxen ermöglichen Ad-hoc-Treffen und informelle Meetings. Fruchtbare Ideen, die zufällig z.B. aus spontanem Austausch entstehen: Dafür kennt die Wissenschaft den Begriff Serendipität.
Wir nennen es einfach: Räume anregend wie Koffein! 😉
Über die Autorin

Inga Ganzer ist Gründungspartnerin im Büro raumdeuter. Sie hat in der Architekturgeschichte promoviert und ist immer wieder als Lehrbeauftragte tätig. Sie engagiert sich außerdem für Leerstandsbelebung, Naturschutz und Entwicklung des ländlichen Raumes.
FKU-Mitglied raumdeuter ist ein Büro für Innenarchitektur mit dem Schwerpunkt Kommunikationsräume und neue Arbeitswelten. Es brennt für interdisziplinär entwickeltes Corporate Design, Nachhaltigkeit und Teilhabe und arbeitet auch mit Agenturen für Organisationsberatung und Change-Management zusammen.
www.raumdeuter.de
[Fotos: Finn Eidam/ Kowerk]