Pressemitteilung „Senat macht sieben Jahre ehrenamtliches Engagement von Bürger:innen im Berliner Beteiligungsbeirat zunichte“

Nach einer Vorlage der Senatsverwaltung  für Stadtentwicklung,  Bauen und Wohnen (SenSBW) hat der Senat kürzlich eine Neuausrichtung des Beteiligungsbeirates des Landes Berlin beschlossen – ohne diesen selbst einzubeziehen oder die externe Evaluation zu berücksichtigen. Damit schreibt der Senat die Leitlinien eigenmächtig um.

Die Zeiten haben sich geändert: Während 2017 mit dem Senatsbeschluss der „Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung“ (LLBB) unter rot-rot-grüner Regierung der Startschuss für eine stärkere Bürger:innenbeteiligung in Berlin gegeben wurde, wird nun zurückgerudert. So werden die Aufgaben und die zukünftige Zusammensetzung des Beirates stark beschnitten. Statt das Land Berlin zur Weiterentwicklung der Leitlinien und deren Umsetzung zu beraten, soll dieser nach Vorstellungen der SenSBW künftig nur noch hinter verschlossenen Türen mit „Entwürfe[n] von Beteiligungskonzepten zu ausgewählten Vorhaben der Stadtentwicklung“ befasst sein. Die ursprüngliche Funktion als wichtiges Kontrollinstrument der Leitlinien selbst: einfach weggefegt.

Der Sprecher:innenrat des Beirates zeigt sich über die Art und Weise des Vorgehens der SenSBW entsetzt. Der Beirat wurde über Monate in dem Glauben gelassen, dass ein partizipativer Prozess zur Verbesserung der Arbeit im Beirat stattfinde, obwohl offenbar schon lange der Plan gefasst worden war, den Beirat in der durch die Leitlinien bestimmten Form abzuschaffen. Als sich eine geplante Neuausrichtung durch die SenSBW abzeichnete, wurden detaillierte Informationen hierzu trotz Nachfragen zurückgehalten. So hieß es noch Mitte Juli 2024 in einer Arbeitsgruppensitzung, dass die Beschlussvorlage derzeit erarbeitet werde. Auch wurde ein Termin am 2. September 2024 eingerichtet, an dem Fragen zu dem Vorlageentwurf gestellt und be-sprochen werden könnten. Am 9. August 2024 forderte die Geschäftsstelle des Beirates auf das Drängen der Sprecher:innen das Dokument bei der SenSBW an und bereits am 20. August 2024, am zweiten Sitzungstag nach der Sommerpause, wurde die Reform des Beirates beschlossen. Dem Beirat liegt der Entwurf der Neuausrichtung bis heute nicht vor. Ebenso wenig wurde der Evaluationsbericht des Berlin Institut für Partizipation (bipar) vorgelegt, welcher eigens zur bisherigen Umsetzung der Leitlinien und der Arbeit des Beirats erstellt wurde. Angeblich liege dieser Bericht der SenSBW selbst noch nicht vor.

„Diese Ignoranz gegenüber der Arbeit von Vertreter:innen der Berliner Stadtgesellschaft und einem renommierten Institut ist in unseren Augen ein klares Zeichen, dass es Senator Gaebler und seinen Senatskolleg:innen vollkommen egal ist, was Bür-ger:innen dieser Stadt oder auch Fachleute für Beteiligung zu diesem Thema zu sagen haben – ob im Beirat selbst oder bei neuen Bauprojekten. Unsere über Jahre hinweg investierte Zeit und intensive Arbeit zum Aufbau und zur Umsetzung dieses wichtigen Instrumentes der Leitlinien wurden somit einfach in die Mülltonne geworfen. Dies stellt eine Entwertung unseres ehrenamtlichen Engagements, eine fragwürdige Verwendung von Steuermitteln sowie eine deutliche Missachtung der verbindlich errichteten Leitlinien dar,“ so die Sprecher:innen Helene Anders, Ina Juckel und Yüksel Aslan.

„Im Austausch mit dem Beirat sollte es selbstverständlich sein, dass die LLBB wie Transparenz, Ergebnisoffenheit, frühzeitige Information und ein guter Umgang miteinander auch angewendet werden. Stattdessen stößt man Menschen vor den Kopf, die sich in ihrer Freizeit für ein Mehr an Mitbestimmung in der Stadtentwicklung einsetzen, sich dafür nach der Arbeit oder an Wochenenden in komplexe Sachverhalte einarbeiten und es mit ihrer Mission, die Beteiligungskultur in Berlin zu stärken, ernst meinen. Solch einen Umgang mit Ehrenamtlichen können sich weder Politik noch Verwaltung leisten: Schließlich basiert das Mandat von Politiker:innen auf einer demokratischen Grundlage. Dazu mutet es töricht an, in Zeiten der Personalknappheit insbesondere in der Berliner Verwaltung die Kapazitäten von Freiwilligen so zu missbrauchen,“ ergänzen die Sprecher:innen.

Nach Aussagen der SenSBW soll der neue Beirat voraussichtlich Anfang 2025 sein Amt in minimaler Besetzung aufnehmen. Der Politik wird nur noch eine Gastrolle zugewiesen; auf die Verwaltung, also Stadträt:innen und Bezirksbürgermeister:innen, wird komplett verzichtet und die Anzahl der Bürger:innen stark dezimiert. Die Sitzungen sollen fortan nicht mehr hybrid und auch nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Mitbestimmung wird aufgrund der starken Kompetenzbeschneidung des Gremiums offenbar nur noch dort möglich sein, wo es der SenSBW bzw. dem Senat genehm ist.

Kurzum: Die vom Senat beschlossene Neuausrichtung stellt eine Vernichtung bereits etablierter demokratischer Errungen-schaften dar und widerspricht nicht nur den Leitlinien, sondern auch dem Ziel, für das sich Bürger:innen seit Februar 2021 eingesetzt haben: einen leitliniengerechten Beirat zu etablieren, der einen konkreten Beitrag zur Demokratieförderung in der Stadtentwicklung leisten kann. Die Realität verfehlte dieses hehre Ziel: „Unsere Arbeit wurde immer wieder massiv behindert, unter anderem durch nicht nachvollziehbare Absagen unserer Sitzungen durch die SPD-geführte Hausleitung der SenSBW. Berlin braucht mehr denn je die Einbeziehung seinen Bewohner:innen.“

Für weitere Informationen und ein gemeinsames Gespräch stehen wir gern zur Verfügung.
Der Sprecher:innenrat des Beteiligungsbeirats Berlin
Ina Juckel, Helene Anders, Yüksel Aslan

Hintergrundinformation

Um die Beteiligung zu fördern wurden  Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Projekten und Prozessen der räumlichen Stadtentwicklung“ (LLBB) nach intensiver gemeinsamer Arbeit von Bürgerschaft, Politik und Verwaltung im September 2019 vom Senat beschlossen.
Der Beirat ist ein Instrument zur Umsetzung der Leitlinien – zu seinen Sprecher*innen wurden Ina Juckel, Yüksel Aslan und Helene Anders gewählt.
Mehr Infos gibt es hier: https://www.berlin.de/sen/stadtentwicklung/planung/beteiligung/beteiligungsbeirat

Der FKU ist als Vertretr*in der organisierten Zivilgesellschaft Mitglied des Beteiligungsbeirats.


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