Seminar „Hängematte Schule“
Das Seminar „Hängematte Schule“ vom JOBSTARTER plus-Projekt Schule-Betriebe interaktiv fand am 7. Oktober 2020 mit 18 Teilnehmer*innen im Berliner Stadtbezirk Kreuzberg statt. Zwei Referenten gingen der Frage nach, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass Jugendliche keine Ausbildung beginnen, sondern im scheinbar nicht endenden Schulsystem verharren. Die zweieinhalbstündige Veranstaltung richtete sich an Interessenvertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung sowie an Projektmitarbeiter*innen, die in ihrer täglichen Arbeit mit dieser Thematik zu tun haben. Der Ort des Geschehens war ein Seminarraum im Kreuzberger bUm, vorgestellt als Raum für zivilgesellschaftliches Engagement, ausgestattet mit hervorragender Technik und genügend Platz zur Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln.
Zu Beginn berichtete der Lehrer Lutz Sand von seinen täglichen Herausforderungen. Schüler*innen, die unzuverlässig und unpünktlich seien, abtauchen, den Unterricht an sich vorbeigleiten lassen, haben meist bereits vertiefte Problemlagen. Anhand des Scheiterns eines Jugendlichen, der die Schule verließ und in einem „Schulschwänzerprogramm“ mündete, illustrierte er die mangelhafte Kooperation und Kommunikation der beteiligten Akteure. Herr Sand plädierte für mehr lösungsorientiertes, pädagogisches Arbeiten, denn „Schüler*innen sind Menschen und keine Vorfälle“.
Der Bildungsexperte Reinhard Selka stellte heraus, dass die Assoziation mit einer gemütlichen Hängematte die Lage der Jugendlichen weniger gut charakterisiere. Die Situation der jungen Menschen, die im Schulsystem verharren, die Institution ohne Abschluss und mit vielen Fehlzeiten verlassen, anschließend von Maßnahme zu Maßnahme gleiten, ließe sich eher mit einer Gummizelle beschreiben. Ein Ausbruch sei nur schwer möglich, wofür u.a. systemische Voraussetzungen verantwortlich seien.
In der diskursiven Runde wurden zahlreiche Herausforderungen beschrieben; die Inkompatibilität von Programmen, bürokratische Hürden, Probleme in der Zusammenarbeit mit Jobcentern und Arbeitsagenturen erschweren den erfolgreichen Übergang in eine Karriere außerhalb von staatlichen Transferleistungen. Viele Betriebe suchen händeringend Auszubildende, während gleichzeitig immer weniger Jugendliche eine duale Ausbildung anstreben. Der Fachkräftemangel liege nicht in der Zukunft, sondern bereits in der Gegenwart. Die Frage nach dem „warum“ lasse sich aber nicht auf eine Ursache reduzieren und bedinge den gegenseitigen Austausch der Beteiligten. Hierfür sei es notwendig, dass Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Projektmitarbeiter*innen miteinander ins Gespräch kommen, Herausforderungen schildern und Ideen erarbeiten.
Im Seminar wurden auch Lösungsvorschläge und Antworten angesprochen; bspw. die regionale und lokale Netzwerkarbeit, der Austausch der beteiligten Akteure, die Politik, die mit einbezogen werden müsse. Auf Straßen- und Kiezfesten können Begegnungen stattfinden. Unternehmen sollten sich für Schulen öffnen und in der Bildungsarbeit einen wichtigen Beitrag leisten.
Eine weitere Veranstaltung des JOBSTARTER plus-Projektes, die sich an einem Workshop-Format ausrichtet und die Interessenvertreter*innen stärker mit einbezieht, wird für das kommende Jahr angestrebt.